24. Oktober 2011, 15:28, NZZ Online
«Selbstmord mit Ansage»
Die ausländischen Medien fokussieren in ihrer Berichterstattung über die Schweizer Wahlen auf die Verluste der SVP. Man sieht eine Bewegung im Sinken und den Vormarsch der Rechten gestoppt. Doch auch die FDP bekommt ihr Fett weg, während über die neuen Kräfte weitgehend Unklarheit herrscht.
spi. Trotz Euro-Gipfel-Marathon, Erdbeben in der Türkei und dem Gerangel um Ghadhafis Leiche werden auch die Wahlen in der Schweiz an diesem ereignisreichen Wochenende in den Medien der Nachbarländer wahrgenommen. Die weitaus meisten Berichterstatter stellen dabei die Verluste der SVP in den Mittelpunkt.
«Schweizer stoppen den Vormarsch der Rechtspopulisten» schreibt die «Süddeutsche Zeitung». Im Detail wird vermerkt, dass die SVP-Parteiprominenz in den Wahlen zum Ständerat deutlich gescheitert sei, was «besonders schmerzlich» sein müsse. Der Erfolg der «Neuen Mitte» wird als Justierung der politischen Kräfte in der Schweiz gesehen, welche sich bei der Bundesratswahl im Dezember auswirken werde.
Über die inhaltliche Orientierung der Wahlsieger besteht offenbar noch wenig Klarheit. Zu den Grünliberalen wird festgestellt, ihr «im Zeitgeist liegendes Programm aus ökologischem Bewusstsein und ökonomischer Kompetenz» habe sich als attraktiv erwiesen. Überraschenderweise zieht die «Süddeutsche Zeitung» aber nicht den Vergleich zur deutschen Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), die eine ähnliche Ausrichtung hat und vor allem in Bayern keine unbekannte Grösse ist.
Dass die ausländischen Medien stark auf die SVP fokussieren, kann nicht überraschen. Im für Aussenstehende wenig profiliertem Polit-Alltag der Schweiz ist die SVP die einzige Partei, welche hin und wieder mit ihren markanten Parolen auch jenseits der Grenzen Wellen schlägt. So wird in den meisten Artikeln auch auf die Minarett-Initiative und die Kampagne gegen Masseneinwanderung hingewiesen. «Spiegel Online» sieht nun den «Höhenflug der Rechten» gestoppt, die mit ihren «anti-europäischen Themen» nicht so erfolgreich wie erwartet gewesen sei.
«Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei hat überraschend deutlich Federn lassen müssen», heisst es auch beim Österreichischen Fernsehen ORF und auf dessen Website wird besonders betont, dass dies die ersten Verluste für die SVP seit 1987 seien. Auch die britische «Financial Times» beobachtet das Ende für die seit fast einem Viertel Jahrhundert steigende Popularität der «ultra-konservativen Anti-Einwanderungs-Gruppe und ihrer Galionsfigur, des Milliardärs Christoph Blocher».
Die deutsche Wochenzeitung «Die Zeit» sieht in ihrer aktuellen Online-Ausgabe gar eine Bewegung schrumpfen. «Dieses Schicksal droht auch der populistischen, europafeindlichen Schweizerischen Volkspartei». Die Schweizer hätten in den Wahlen gezeigt, «dass sie eine andere Politik wollen, eine irgendwie ökologischere und nachhaltigere – aber immer noch eine bürgerliche». Die neuen Kräfte hätten bisher aber nur wenig geleistet und deshalb auch nur «wenig falsch machen» können.
Besonders hart geht «Die Zeit» mit dem weiteren grossen Verlierer, der FDP, ins Gericht: «Bei der Misere der FDP handelt es sich aber um einen Selbstmord mit Ansage. Die Partei hat es nicht vermocht, sich ein neues Image zu geben. Sie konnte nicht glaubhaft machen, mehr zu wollen, als den Banken und dem Finanzplatz zu dienen.»
Der Kommentator der ARD schliesslich verpasst es zum Schluss seiner Analyse nicht, auch noch auf ein Ereignis hinzuweisen, welches in der Endphase des Wahlkampfes noch für Aufregung gesorgt habe: die Entführung des SVP-Maskottchens «Zottel».
Im Nachbarland Frankreich berichtete einzig die linke «Libération» ausführlich über die Wahlen: «Die Rechte hat einen Rückschlag hinnehmen müssen», schrieb das Blatt. Dennoch habe der Urnengang keine Umwerfungen gebracht. In der von Wirtschaftsproblemen weitgehend verschonten Schweiz würden noch immer rund zwei Drittel rechts wählen, schrieb der «Libération»-Korrespondent in Genf.