Der schweizerische Bundesrat im Clinch zwischen der Bundesverfassung (BV) und dem Landverkehrsabkommen (LVA) der Schweiz mit der EU
Vor kurzem hat der Bundesrat beschlossen, am Gotthard sei ein zweite Strassenröhre zu bauen. Zur Begründung schiebt der Bundesrat eine dringend notwendige Sanierung vor.
Die Bundesverfassung (BV) untersagt seit der Annahme der Alpen-Initiative durch das Volk und der Einfügung von Art. 84 Abs. 3 BV die Erhöhung der Transitstrassenkapazität im Alpengebiet. Woran aber ist diese Kapazität festzumachen? Gemäss der Einschätzung des Bundesrates ist die Anzahl Fahrspuren relevantes Kriterium. Daher kommt der Bundesrat auf die Idee, eine zweite doppelspurige Strassenröhre zu bauen. In beiden Röhren (alte und neue) soll aber nur eine Spur für den Verkehr offen sein. So gedenkt der Bundesrat dem Art. 84 zu genügen.
Schweizerische Bundesverfassung
Art. 84 Alpenquerender Transitverkehr
1 Der Bund schützt das Alpengebiet vor den negativen Auswirkungen des Transitverkehrs. Er begrenzt die Belastungen durch den Transitverkehr auf ein Mass, das für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie ihre Lebensräume nicht schädlich ist.
2 Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze erfolgt auf der Schiene. Der Bundesrat trifft die notwendigen Massnahmen. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn sie unumgänglich sind. Sie müssen durch ein Gesetz näher bestimmt werden.
3 Die Transitstrassen-Kapazität im Alpengebiet darf nicht erhöht werden. Von dieser Beschränkung ausgenommen sind Umfahrungsstrassen, die Ortschaften vom Durchgangsverkehr entlasten.
Aber, das Landverkehrsabkommen (LVA) zwischen der Schweiz und der EU basiert auf dem Ansatz des freien Strassenverkehrs und verdeutlicht dies im Grundsatz, dass einseitige mengenmässige Beschränkungen (Art. 32.3 Spiegelstrich LVA) nicht eingeführt werden. Es dürfen demnach keine Massnahmen ergriffen werden, die die Verkehrsmenge übermässig einschränken. Dies wäre aber bei der Idee des Bundesrates zweifellos der Fall. Zudem, der Druck der umliegenden Staaten, der Automobilverbände, der Autoindustrie gegen die Beschränkung auf je eine Spur in den doppelspurigen Tunnelröhren wäre so gross, dass der Bundesrat schon vor der Vollendung der zweiten Röhre völlig weichgeklopft wäre.
Rhoenblicks Kommentar:
Es werden nicht nur die Linken sein – wie dies deutsche Zeitungen, wie zum Beispiel das deutsche „Handelsblatt“ in seiner Ausgabe vom 28.06.2012 meinen und schreiben – die das Vorhaben des Bundesrates bodigen werden.
Es wird ein Schulterschluss quer durch alle Parteien geben, von links bis rechts, die die Änderung oder Streichung von Art 84 BV zu Recht verhindern, die den Bau einer zweiten doppelspurigen Tunnelröhre durch den Gotthard ablehnen werden.
Es versteht sich von selbst, dass die Deutschen, die ja eine Schmalspurdemokratie haben, Begriffe wie „Verfassung“, „Gesetz“, „Initiative“, Referendum“ nicht auseinanderhalten können. ich verweise auf den erwähnten Artikel im deutschen „Handelsblatt“ vom 28.06.2012 –
Link: http://www.handelsblatt.com/panorama/aus-aller-welt/fruehestens-2027-zweite-roehre-fuer-den-gotthard-strassentunnel/6807810.html
2. Zeitpunkt der Eröffnung der zweiten Tunnelröhre
Laut dem zitierten deutschen „Handelsblatt“ vom 28.06.2012 soll die zweite Gotthard-Strassentunnel-Röhre frühestens 2027 – also in 15 Jahren – in Betrieb gehen! Dann könnte die Sanierung der alten Röhre erst beginnen. Die dauert gut drei Jahre.
Link: http://www.handelsblatt.com/panorama/aus-aller-welt/fruehestens-2027-zweite-roehre-fuer-den-gotthard-strassentunnel/6807810.html
[Gotthardstrassentunnel]