„blogs.taz.de“ vom 18.02.2011: „Hilfe, mir wird schwindlig. Ich weiss gar nicht, wohin ich zuerst blicken soll“, von Karim El-Gawhary.
Karim El-Gawhary schreibt, filmt und sammelt Töne rund um die arabische Welt. Er lebt in Kairo und arbeitet seit zwei Jahrzehnten für deutschsprachige Medien. Er berichtet vom arabischen Alltag, kommentiert die Ereignisse im turbulenten Nahe Osten und sucht Themen, die es nicht in die Schlagzeilen geschafft haben
Es geht Alles so rasend schnell. Soll man heute nach Bahrain blicken, wo die Toten von gestern begraben werden und sich die Begräbnisfeiern wahrscheinlich zu einem neuen Höhepunkt der Demonstrationen gegen den König entwickeln werden. Schon gestern nachdem der Lulu Platz, der Platz der Perle, brutal geräumt worden war, wanderte der Protest einfach in die Krankenhäuser weiter, wie dieses Video zeigt.
Oder soll man nach Libyen schauen, wo Gaddafi versucht den Aufstand unter Ausschluss der Öffentlichkeit niederzuschlagen, indem er Polizei, bezahlte Schläger und eine SMS aussendet, die die Menschen warnt gegen das Regime auf die Straße zu gehen, weil scharf geschossen wird. Auch hier werden die heutigen Freitagsgebete ein wichtiger Indikator sein, wie es weitergeht.Die Antwort der Regime ist überall gleich: sie setzten ihren Sicherheitsapparat als einzige Antwort ein und versuchen die Menschen einzuschüchtern. Die wiederherum versuchen auf der Straße die kritische Masse zu erreichen, um dem Sicherheitsapparat widerstehen zu können.
Selbst in Syrien hat es inzwischen angefangen, wie das folgende Video beweist. Der Protest begann im Bezirk Harika in Damaskus, nachdem ein Bürger, Emad Nasibah, brutal von der Polizei verprügelt worden war. Wer Syrien kennt, der weiß, wie mutig diese Menschen sind.
Und dann ist das noch Ägypten. Dort wird heute auf dem Tahrir die Revolution gefeiert und den Toten gedacht. Aber bei der heutigen Demonstration geht es auch darum, erneut Muskeln zu zeigen, denn viele der Protestierer fühlen sich um die Früchte der Revolution betrogen und versuchen daher den Druck auf das Militär zu erhöhen, einen wirklichen Bruch mit dem alten Regime zuzulassen. Auch wenn das Militär das Parlament aufgelöst und die auf Mubarak maßgeschneiderte Verfassung ausgesetzt hat: es sitzen immer noch zu viele Vertreter des alten Regimes an wichtigen Schaltstellen.
Zumindest bis gestern wurde dieser Kampf um den vollständigen Bruch friedlich ausgetragen. Vor meinem Büro hat ein Hochzeitspaar sich ganz revolutionär ablichten lassen. Erst zieht die Hochzeitsprozession an den Panzern vorbei.
Foto: Karim El-Gawhary
Dann werden Hochzeitsfotos der besonderen Art gemacht.
Foto: Karim El-Gawhary