Es gibt kein anderes Verb als „lügen“ um folgende Aussage von Herrn Rupert Stadler, CEO von Audi, zu qualifizieren: „Über neunzig Prozent der Autobahnen sind in Deutschland heute de facto elektronisch reguliert, zumindest phasenweise. Gibt es wenig Verkehr, wird freie Fahrt gegeben, bei viel Verkehr wird beispielsweise die Geschwindigkeit auf 120 km/h gedrosselt.“ Dies sagt Herr Stadler in einem von der Weltwoche (CH) veröffentlichten Interview.
Analysieren wir Stadlers Aussage, damit sich dieser Mann nicht mit irgendwelchen Sprüchen aus der Schlinge ziehen kann: „De facto“ heißt nach Duden: „tatsächlich“, „bestehend“; „elektronisch reguliert“ bedeutet, dass (so Stadler – über 90 Prozent der deutschen Autobahnen) mit Steuerungsanlagen („Brücken“ über den Autobahnen mit Gebotstafeln mit Angabe der erlaubten Höchstgeschwindigkeit und Sensoren, ev. mit Lichtsignalen) ausgerüstet sind; „phasenweise“ heisst, dass die „elektronische Regulierungen“ jedoch nicht 24 Stunden in Betrieb sind. „90 Prozent der Autobahnen in Deutschland“ bedeutet, dass 90 Prozent aller deutschen Autobahnkilometer elektronisch gesteuert sind.
Wie lügt Stadler? Ich bin als Auslandschweizer seit acht Jahren in Deutschland. Mit Ausnahme des Ruhrgebietes habe ich in allen anderen deutschen Landesteilen schon einen großen Teil der Autobahnen befahren. Geradezu marginal sind die Strecken, gemessen in Kilometern, denen ich begegnet bin, die elektronisch reguliert sind – so auf der A3 südlich von Würzburg.
.Eine „Lüge“ ist eine „bewusst ausgesprochene Unwahrheit“, eine „bewusst falsche, auf Täuschung berechnete Aussage“. Es sind auch nicht 85 oder 80 % aller deutschen Autobahnen, die „elektronisch reguliert“ sind. Der Anteil liegt sicher unter fünfzig Prozent, sehr wahrscheinlich sogar unter 30%. Vom Audi-CEO Stadler kann erwartet werden, dass er über das effektive Ausmass der „elektronisch regulierten Autobahnen“ in Deutschland Bescheid weiss.
Zusammengefasst. Der Audi-Chef Stadler verkauft die Schweizer als dumm. Der Weltwoche ist der Vorwurf nicht zu ersparen, diesem Herrn viel zu viel Platz eingeräumt zu haben – drei Textseiten und eine ganzseitige Foto, die für sich spricht. Carmen Gasser hält es nicht für notwendig, die Äusserungen Stadlers in einem redaktionellen Beitrag zu hinterfragen. Schade.