t-online, 17.02.2012, 11:39 Uhr
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Das Staatsoberhaupt habe nicht mehr das nötige Vertrauen einer breiten Mehrheit der Bevölkerung.
Bundespräsident Christian Wulff ist nach nur 598 Tagen von seinem Amt zurückgetreten. Er habe nicht mehr das nötige Vertrauen einer breiten Mehrheit der Bevölkerung, sagte Wulff zur Begründung. „Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen und damit meine Wirkungsmöglichkeiten nachhaltig beinträchtig sind.“
Deshalb trete er zurück, um den Weg für einen Nachfolger zügig freizumachen. Er sei gerne Bundespräsident gewesen. Kanzlerin Merkel sagte in einer Erklärung, sie habe die Entscheidung Wulffs mit „größtem Respekt und tiefem Bedauern“ aufgenommen. „Christian Wulff und seine Frau Bettina haben die Bundesrepublik im In- und Ausland würdig vertreten.“
Merkel geht auf SPD und Grüne zu
Sie kündigte an, den Kandidaten für die Wulff-Nachfolge mit SPD und Grünen abstimmen zu wollen. „Wir wollen Gespräche führen mit dem Ziel, in dieser Situation einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des nächsten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland vorschlagen zu können“, sagte sie.
Mit seinem Rücktritt zog Wulff die Konsequenzen aus einem drohenden Ermittlungsverfahren, für das die Staatsanwaltschaft Hannover die Aufhebung seiner Immunität beim Bundestag beantragt hat. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, von dem Filmunternehmer David Groenewold Gefälligkeiten angenommen zu haben.
Wulff stand seit Wochen wegen mehrerer Affären in der Kritik. Er war erst am Mittwochabend von einem dreitägigen Staatsbesuch in Italien zurückgekommen, bei dem er sich um Normalität bemüht gezeigt hatte. Zuletzt hatten sich aber immer weniger Koalitionspolitiker offen hinter Wulff gestellt.
„Habe mich stets korrekt verhalten“
Wulff betonte, er sei davon überzeugt, dass die anstehende rechtliche Klärung der Vorwürfe gegen ihn „zu einer vollständigen Entlastung führen wird“. Er habe sich in seinen Ämtern stets korrekt verhalten. Er sei immer aufrichtig gewesen. Die Medienberichterstattung in den vergangenen zwei Monaten habe seine Frau und ihn verletzt, sagte Wulff, der von seiner Gattin begleitet wurde.
Er habe 2010 die Wahl zum Bundespräsidenten gern angenommen und sich mit ganzer Kraft dem Amt gewidmet, sagte Wulff. „Es war mir ein Herzensanliegen, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken. Alle sollen sich zugehörig fühlen, die hier bei uns in Deutschland leben, eine Ausbildung machen, studieren und arbeiten – ganz gleich welche Wurzeln sie haben. Wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam.“ Er sei überzeugt, dass Deutschland seine wirtschaftliche Kraft entfalten und einen guten Beitrag für Europa leisten könne.
Bis zur Wahl eines neuen Staatsoberhaupts nimmt nun der amtierende Präsident des Bundesrats, Bayerns Regierungschef Horst Seehofer, die Aufgaben des Bundespräsidenten wahr. Wulff kündigte an, dass Merkel an seiner Stelle am Donnerstag bei der Gedenkfeier für die Opfer der Neonazi-Terrorgruppe in Berlin die zentrale Rede halten werde.
Nach Meinung des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, war Wulffs Rücktritt „überfällig“. Wulff habe „viel zu lange gezögert, um Schaden vom Amt des Bundespräsidenten abzuwenden“, sagte Oppermann.
Schnelle Entscheidung über Nachfolger
Die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) wollen rasch über die Wulff-Nachfolge entscheiden. Für Samstag ist ein Treffen der schwarz-gelben Spitze für Samstag in Berlin vorgesehen. Innerhalb von 30 Tagen muss die Bundesversammlung einen neuen Bundespräsidenten wählen.
Als aussichtsreiche Nachfolger für das Amt des Bundespräsidenten werden gehandelt: Verteidigungsminister Thomas de Maizière, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (alle CDU) und der 2010 gegen Wulff unterlegene frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck.
Rhoenblicks Kommentar:
Gauck wird gewählt.
2013 jedoch steht Gauck im Zwielicht – nicht nur wegen seiner Haltung im Fall Snowden, sondern auch wegen seiner DDR-Vergangenheit – siehe Beitrag: „Gauck im Zwielicht“.