Unfall in japanischem Kernkraftwerk (Stand 14.3.2011 16:15)
(Brugg, 16.15 Uhr) In Folge des Erdbebens und Tsunami vom letzten Freitag kam es im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi zu einem schweren Unfall. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI ist seit Freitag mit seiner Notfallorganisation im Einsatz und analysiert die Lage laufend. Für die Schweizer Bevölkerung besteht keine Gefahr.
Vom Erdbeben im Nordosten Japans sind drei Kernkraftwerks-Standorte mit insgesamt 13 Reaktorblöcken ernsthaft betroffen: Fukushima-Daiichi, Fukushima-Daini und Onagawa. Alle Reaktoren wurden aufgrund des Erdbebens automatisch abgeschaltet oder sie befanden sich bereits vorher in der Revisionsabstellung. Die grössten Schäden entstanden in Fukushima-Daiichi. Die Angaben über die Situation sind immer noch lückenhaft und teilweise widersprüchlich. Das ENSI stützt sich auf seine internationalen Informationskanäle sowie Angaben der japanischen Betreiber und Sicherheitsbehörden.
Fukushima-Daiichi
Sämtliche Blöcke wurden bei dem Erdbeben abgeschaltet (Blöcke 1-3) oder waren bereits vorher in Revision (Blöcke 4-6). Die für die Nachwärmeabfuhr des Reaktors erforderliche Kühlung ist nach den Blöcken 1 und 3 auch beim Block 2 ausgefallen. Gemäss Angaben des Betreibers TEPCO wird Meerwasser auch in den Reaktordruckbehälter von Block 2 eingespeist. Neueste Meldungen besagen jedoch, dass der Wasserstand im Reaktor des Blocks 2 gesunken ist und die Brennstäbe teilweise nicht mehr mit Wasser bedeckt sind. Damit besteht auch hier die Gefahr eines Kernschadens. TEPCO erwägt beim Block 2 eine Druckentlastung des Sicherheitsbehälters (Containments), wie sie bereits bei den Blöcken 1 und 3 durchgeführt wurde.
Wie gestern befürchtet, fand am frühen Morgen des 14. März (Ortszeit) eine Wasserstoff-Explosion im Block 3 statt. Wie beim Block 1 beschädigte sie das Reaktorgebäude. Das darin befindliche Containment, das den Reaktordruckbehälter umschliesst, ist gemäss Angaben des Betreibers bei allen Blöcken nach wie vor intakt.
Radioaktivität in der Anlagenumgebung
Die Ortsdosisleistung am Standort der Kernkraftwerksanlagen von Fukushima-Daiichi liegt bei etwa 50 Mikrosievert pro Stunde. Eine Person, die sich an diesem Standort aufhält, würde in 20 Stunden den Jahresgrenzwert für die Bevölkerung von 1 Millisievert erreichen. Während der Druckentlastung der Blöcke 1 und 3 wurde kurzzeitig ein rund 20-fach höherer Wert gemessen, was durch den Abzug der radioaktiven Wolke erklärt werden kann. Nach den Wasserstoffexplosionen, die Teile von Reaktorgebäuden zerstört haben, muss von einer Kontamination auf dem Kernkraftwerksareal ausgegangen werden, die für die Betriebsmannschaft aber nicht gefährlich ist.
Den Berichten zufolge gibt es in der Anlage Fukushima-Daiichi gegenwärtig ein Todesopfer. Bei der Explosion im Block 1 wurden vier, bei derjenigen im Block 3 elf Personen verletzt. Berücksichtigt man weitere Berichte über Verletzte, deren Quellen nicht genau bekannt sind, dürfte die Zahl der Verletzten bei rund zwanzig liegen. Über ursprünglich zwei vermisste Personen wurde nichts mehr berichtet. Die japanische nukleare Aufsichtsbehörde gibt an, dass am Nachmittag des 14.3.2011, Ortszeit, noch 483 Personen auf ihre Evakuierung aus der 20-km-Zone warten.
Abschätzungen des ENSI
Konkrete Rückschlüsse auf den Betrieb der schweizerischen Kernkraftwerke lassen sich aus dem Unfall im Moment nicht ziehen. Das ENSI wird jedoch die Situation in Japan im Detail analysieren und Lehren daraus ziehen. Bereits mit der 2007 publizierten, weltweit anerkannten „Pegasos“-Studie wurde die Erdbebengefährdung in der Schweiz nach dem fortschrittlichsten Stand der Wissenschaft neu bestimmt. Das ENSI hat daraufhin verschärfte Erdbebengefährdungsannahmen festgelegt, denen die Kernkraftwerke standhalten müssen. Verschiedene Ertüchtigungen in den Bereichen Bautechnik und Notstromversorgung wurden seither umgesetzt. Da alle schweizerischen Kernkraftwerke über autarke, gebunkerte Notstandssysteme verfügen, weisen sie weltweit gesehen einen sehr hohen Schutzgrad gegen externe Ereignisse wie Erdbeben auf.
In der Schweiz sind schwere Erdbeben sehr viel seltener als in Japan. Ein Erdbeben der Magnitude 9, wie es am Freitag Japan traf, kann für die Schweiz praktisch ausgeschlossen werden. Das bekannteste Erdbeben in der Schweizer Geschichte trat 1356 in Basel auf und war rund hundertmal schwächer.
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