„POLITIK: Was Merkel ganz sicher dementieren wird“
FOCUS Magazin Nr. 52 (2012), Montag, 24.12.2012, 00:00 verfasst von FOCUS-Korrespondentin Margarete van Ackeren, Berlin
Link: http://www.focus.de/politik/deutschland/politik-was-merkel-ganz-sicher-dementieren-wird_aid_887193.html
Die Spuren der Macht im Gesicht der Kanzlerin
„Als Frau Merkel 2005 Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland wurde, hat sich die CDU-Vorsitzende selbst verordnet, auf keinen Fall den Moment für den rechtzeitigen Ausstieg zu verpassen. Nur: Wann wird das sein? Einiges spricht für das Jahr 2015.
Da sitzt er im Fernsehstudio, redet und redet. Er hört gar nicht mehr auf. Es ist der Abend des 18. September 2005, Deutschland hat Gerhard Schröder abgewählt. Oder nicht? „Herr Bundeskanzler“, sagt Moderator Nikolaus Brender, „das sind Sie ja noch.“ Der kontert schroff: „Das bleibe ich auch.“ „Niemand, außer mir, ist in der Lage, eine stabile Regierung zu stellen.“ Gegenüber sitzt eine perfekt geschminkte Angela Merkel und blickt den SPD-Kanzler fassungslos an. So dick ist ihr Makeup allerdings nicht, dass es übertünchen kann, dass die CDU-Chefin in mimische Schockstarre verfällt. Sie sieht einen Mann, den die Aussicht auf den bevorstehenden Machtverlust schier um den Verstand bringt.
Der Abend hat Merkel erschüttert. Nicht nur, weil sie damals nicht sicher sein konnte, ob sie eine Koalition unter ihrer Führung zu Stande brächte, sondern auch wegen des wilden Mannes im Studio: Sie sah einen Politiker, der sich bis zur Selbstentblößung an sein Amt klammerte.
Das sollte ihr nie passieren, schwor sich Merkel damals. Sie wolle auf keinen Fall den richtigen Moment verpassen, sich von der politischen Führung zu verabschieden, hat sie kurz danach Vertrauten gesagt. Die Nüchterne hat sich sozusagen selbst Nüchternheit verordnet. Für später. Für wann auch immer. Für 2015?
Angela Merkel hat sie alle gesehen: Helmut Kohl, der lieber 1998 die CDU in eine sichere Niederlage führte, als Wolfgang Schäuble rechtezeitig gut in Stellung zu bringen. Ministerpräsident Edmund Stoiber, der sich von den Seinen in Kreuth demontieren ließ, bevor er den Weg für Nachfolger frei machte. CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg, der sich in autosuggestive Selbstgerechtigkeit flüchtete, bevor er zugab, dass er bei seiner Doktorarbeit geschummelt hatte. Ihnen allen ist eines gemein: Sie verpassten den rechten Augenblick zu gehen.
Seit sieben Jahren ist Physikerin Merkel ganz oben. Gerade hat sie Vorgänger Schröder in der Dauer der Regierungszeit überholt. Die Stimmung neun Monate vor der Bundestagswahl ist gut für sie, sie könnte es wieder schaffen. Also: Auf ein Neues, Merkel 2013, 2014, 2015, 2016 . . .?
Die 58-Jährige liebt ihre Arbeit. Reisen, Reden, Verhandeln – ja, selbst das Fakten-Pauken macht ihr Spaß. „Solch einen Job gibt man nicht ohne Not auf, nie“, sagte neulich einer, der ihr nahe steht. Andere in ihrem Umfeld trauen ihr den kühlen Verzicht durchaus zu. Sogar mitten in einer Wahlperiode – wenn im Land alles in geordneten Bahnen läuft. „Das könnte so kommen“, sagte zuletzt ein Vertrauter. Dann schwieg er.
Merkel hat zwischen den Jahren viel Zeit zum Grübeln. Beim Langlaufen oder Wandern. Sie erlebe ihren „Höhepunkt der Macht“, titelte die „Freie Presse Chemnitz“ nach dem CDU-Parteitag Anfang Dezember. Sie sei „auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes“, schrieben süddeutsche.de und tagesschau.de wortgleich. Sie habe den „Zenit ihrer Macht erreicht“, notierte die „Financial Times Deutschland“ in einer ihrer letzten Ausgaben.
Man muss nicht Physik studiert haben, um zu wissen, was dem Höhepunkt folgt: der Abstieg. Der mag flach oder steil sein, aber er kommt. Deshalb wird Merkel nach der kindlichen Freude über ihr sozialistisches 97-Prozent-Ergebnis auf dem Parteitag kühl analysieren: Was kommt noch? Und: Wer kommt noch?
Während 2010 Norbert Röttgen und Ursula von der Leyen um die Würde der potenziellen Merkel-Nachfolge rivalisierten, gab´s diesmal beim Parteitag kein Gerangel um die Prinzenrolle. Wenngleich: Thomas de Maizière, der Verteidigungsminister mit preußischen Qualitäten, bewarb sich – kaum einer hat´s registriert – erstmals für ein höheres Parteiamt. Bei der Vorstandswahl bekam er sogar das beste Ergebnis: Stimmungstest bestanden.
Der Minister wäre der erste Aspirant für den Fall, der in Berlin unter der flapsigen Überschrift „Dachziegel-Frage“ geführt wird: „Wer wird Kanzler, wenn Merkel ein Dachziegel auf den Kopf fällt?“ Der Offizier der Reserve ist durchaus so etwas wie ein Kanzler der Reserve. Er selbst würde nie zu diesem Thema auch nur ein Räuspern zu Protokoll geben. Über seine künftige Arbeit hat er im Sommer einen verräterischen Satz gesagt: Die Neuausrichtung der Bundeswehr sei bis 2017 abgeschlossen. „Das Entscheidende sollte bis 2015 abgeschlossen sein.“ Bis 2015.
Seine Ehefrau Martina sagte mal in einem Interview: „Mein Mann ist mehr als ein Fachminister.“
Bis 2015 – und dann ein Wechsel nach ganz oben?
In Berlin scheint es ausgemacht, dass Merkel dereinst – wenn das internationale Geflecht der Macht es zulässt – eine Spitzenposition in der EU übernimmt. Nur: Ob dann gerade ein Sozialist, ein Osteuropäer oder ein Typus mit der finanzpolitischen Leichtigkeit des „Club Med“ gefragt ist, kann niemand vorhersagen. Dass Merkel Lust auf einen Job in der EU oder UN hätte, wird zwar gern unterstellt, hinterlegt aber ist es nicht. Mehr noch: Sie hat mehrfach kess gesagt, dass sie für eine Zeit danach eine soziale Aufgabe reizen würde. Wer Merkel länger kennt, weiß, dass das eben kein koketter Scherz sein muss.“
Rhoenblicks Kommentar:
Frau Angela Merkel garantiert der CDU in den Bundestagswahlen 2013 den Wahlerfolg, obschon sie nie regiert, nie geführt sondern nur „pragmatisch“ gewerkelt und Hüftschüsse produziert hat: Energie-Wende, Griechenland-„Rettung“; Abschaffung der Bundeswehr, Kita-Platz-Garantie auf August 2013. Sie hat immer wieder irgendetwas zur Chefsache erhoben, um es dann unter den Tisch fallen zu lassen. Aber weit und breit ist niemand da, der sie ersetzen könnte. Ein mageres Zeugnis für ein demokratisch sein wollendes Deutschland.
Immerhin wird sie 2015 zurücktreten, so hofft und prophezeit FOCUS. Wenn ihr Nachfolger Thomas de Maizière heisst, so ist das eine gute Wahl, weitaus besser als die von van der Leyen oder Schröder oder Schavan.
Wer gibt Frau Merkel 2015 den Hinweis, dass ihr Werkeln niemandem gut tut, ganz sicher nicht der EU, wer gibt ihr den Rat, dass sie sich auf ihre Datsche n der Uckermark zurückziehen möchte. Sie kann ja ihre Memoiren schreiben, wie aus Kohls Mädel die Kanzlerin Deutschland wurde.