24.01.2010 Atomfachmann warnt GRAFENRHEINFELD/BERLIN (dpa/mar) Die Sicherheitsdebatte um das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld hat am Wochenende eine neue Dimension bekommen. Der mögliche Riss in einem Rohr, der im Juni 2010 ermittelt aber erst im Dezember offiziell gemeldet worden ist, wurde von Atomfachmann Wolfgang Renneberg als großes Sicherheitsrisiko bezeichnet.„Ich kenne keinen der Atomaufsicht zur Kenntnis gelangten Fall, in dem eine deutsche Anlagebei einem solchen Befund weiter betrieben worden wäre“, sagte der frühere Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Wolfgang Renneberg warf dem Betreiber E.ON und der bayerischen Atomaufsicht schwere Versäumnisse vor. Im Sommer war es in dem Atomkraftwerkim Landkreis Schweinfurt während einer Routinekontrolle mit Ultraschall zu einer auffälligen Anzeigebei einem Rohr gekommen. Unklar ist, wie lange der mögliche Riss oder Anriss schon existiert und ob er wächst. Wegen der auffälligen Messwerte an der Leitung im Primärkreislauf des Kernkraftwerkes sollen nun alle deutschen Kraftwerke solchen Prüfungen unterzogen werden. E.ON, Betreiber des Atomkraftwerkes Grafenrheinfeld, hatte erklärt, alle Gutachter seien zu dem Schlussgekommen, dass die Messergebnisse sicherheitstechnisch keine Relevanz hätten – der Vorfall wurde nicht gemeldet. Renneberg betonte jedoch „Die bayerische Atomaufsicht hätte den Austausch der Rohrleitung sobald wie möglich veranlassen und das Bundesumweltministerium sofortinformieren müssen.“ Sie habe sich jedoch für das Motto entschieden, „es wird schon nicht gefährlich sein“. Eine derartige „Sicherheitsphilosophie ist in der Atomtechnik völlig unverantwortlich“, so Renneberg. Seiner Meinung nach müsse sofort gehandelt werden, mit dem Austausch des betreffenden Rohrteils könne nicht bis zur nächsten Revision im März gewartet werden.
Renneberg war bis 2009 im Bundesumweltministerium für die Sicherheit der Atomkraftwerke zuständig. Das Bundesumweltministerium bekam erst mehrere Monate später Kenntnis von dem Vorfall in Grafenrheinfeld. Es lehnte aber ein Abschalten des Meilers ab und verwies dabei auf die Reaktor-Sicherheitskommission(RSK), die das Ministeriumberät. Allerdings soll es im Ministerium Kontroversen über die Schwere des Zwischenfalls gegeben haben.
Das Präsidium der Grünen in Unterfranken hat am Wochenende eine Resolution verabschiedet, in der die sofortige Abschaltung des Kernkraftwerkes und die eingehende Untersuchung der betroffenen Leitung gefordert wird. Werde der Schadenerst bei der nächsten Revision behoben, werde gegen das Gebot größtmöglicher Sicherheit „massiv verstoßen“. Das Vertrauen der Bevölkerung sei durch diese Vorgehensweiseweiter erschüttert worden.
Weitere Texte zum Thema siehe Main Post (Link)
Rhoenblicks Kommentar:
Ich bin ein überzeugter Befürworter der Kernenergie. Aber, was sich da die EON, die bayerische Atomaufsicht und das Bundesumweltministerium leisten ist nicht nur Ausdruck einer „Sicherheitsphilosophie, die in der Atomtechnik völlig unverantwortlich ist“, es ist ein Skandal – schlimmer als alle Guttenberg-Probleme, schlimmer als alle Dioxin- oder Gammelfleisch-Skandale, schlimmer als die Skandale bei der bayerischen Landesbank, Bayern LB.
Ein vermuteter Riss im PRIMÄR-Kreislauf, im nuklearen Teil eines Kernkraftwerkes verlangt gebieterisch nach einer Abschaltung des betreffenden KKWs und eine Überprüfung vor Ort – unter Einhaltung der für den nuklearen Teil geltenden Sicherheitsvorschriften.
Als AC-Offizier der Schweizer Armee wäre ich bei einer Havarie der KKWs Beznau I und II aufgeboten worden. Aus dieser Aufgabe und in meiner Tätigkeit als AC-Chef in dem für die KKW Benznau zuständigen Krisenstab des Kantons Aargau sind mir solche Probleme vertraut.
Ich meine, das Präsidium der Grünen in Unterfranken darf es nicht bei einer Resolution bewenden lassen, es muss die Grünen in Berlin auf Trab bringen. Die Presse bundesweit ist zu informieren, zu alarmieren. Wo ist der Bundesumweltminister Röttgen? Die Dr. phys. Bundeskanzlerin Merkel erhebt eine Kernbrennstab-Steuer und hat sich mit den KKW-Betreibern abgesprochen. Jedoch – Sicherheit geht vor.