Artikel in F.A.Z. (FAZ), vom 24.04.2012, Seite 8:
„Falsch gewählt? Der Umgang der EU mit Ungarn weckt Erinnerungen an die „Sanktionen“ gegen Österreich„
verfasst von Reinhard Olt
WIEN, im April
In Ungarn sieht sich die Regierung Orbán Vorhaltungen europäischer Institutionen gegenüber, von deren Entkräftung es abhängt, ob das Land jenen finanzpolitischen Rückhalt von Union (EU) und Währungsfonds (IWF) erhält, den es nötig hat, um seine Wirtschaftslage zu verbessern. Vor einiger Zeit war Thorbjörn Jagland, Generalsekretär des Europarats, in Budapest, um mit Ministerpräsident Orbán, Außenminister Martonyi und Justizminister Navracsics über Änderungen an Gesetzen zu sprechen, welche sowohl die EU-Kommission als auch der Europarat verlangen. Dabei standen der von der Regierung Orbán – sie stützt sich im Parlament auf eine satte Zweidrittelmehrheit – bewirkte Umbau des Justizwesens und die Neufassung des Gesetzes über die in Ungarn zugelassenen Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie das umstrittene Mediengesetz im Mittelpunkt. Hatte die Venedig-Kommission des Europarats zuvor eine kritische Stellungnahme zur Justizreform und zum Kirchengesetz veröffentlicht, so hatte Jagland einen Europaratsbericht mit Kritik am hinlänglich bekannten Mediengesetz im Reisegepäck. Die Regierung bekundete ihren Willen zur Änderung von Regelungen, hinter denen die Kommission „die Unabhängigkeit der Justiz bedroht“ sieht, indem Navracsics im Parlament entsprechende Änderungen zur Novellierung des Gesetzes einbrachte. Dabei wurden „in Kenntnis der Elemente mit verurteilendem Inhalt die Beanstandungen der Venedig-Kommission in die Modifizierungsempfehlung eingearbeitet“.
Ähnlich verfährt die Regierung jetzt auch mit inkriminierten Bestimmungen der anderen Gesetze. Die rasche Bereinigung liegt nicht allein in ihrem Interesse, sondern des Landes. Das wird aus einer Verlautbarung der Vizepräsidentin der EU-Kommission deutlich: Für Frau Reding ist die Beachtung und Verwirklichung der Europaratsposition durch Budapest entscheidend für die Bewertung und künftige Behandlung Ungarns durch Brüssel. Frau Reding zog eine direkte Linie zu den komplexen Defizitstrafverfahren sowie EU- und IWF-Verhandlungen über eine Kreditlinie für Ungarn. Im Streit über das Budgetdefizit waren die EU-Finanzminister der Kommissionsvorgabe gefolgt, Budapest wegen „unsolider Haushaltspolitik seit Beitritt zur Union 2004“ 29 Prozent der Mittel, die es aus dem EU-Kohäsionsfonds erhielte, 495 Millionen Euro zu entziehen, sollte Ungarn nicht bis Mitte des Jahres durch geeignete Maßnahmen ersichtlich machen, dass es künftig bei der Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bleibe. Für Wirtschaftsstaatssekretär Zoltan Csefalvay, der ein nochmaliges Einsparvolumen für 2012 in Höhe von 480 Millionen Euro in Aussicht stellte, ist die „nachhaltige Budgetkonsolidierung“ gewährleistet.
Das Brüssler Vorgehen hat in Budapest zu großem Unmut geführt. Nicht allein, dass die konservative Regierung Orbán alles getan hat, um die unter ihren sozialistischen Vorgängern extrem ausgeweitete Staatsverschuldung – von 52 Prozent BIP 2002 auf 83 Prozent BIP 2009 – einzudämmen. Viele Magyaren bringt auch der Umstand gegen „das EU-Diktat“ auf, dass die Kommission dem Eindruck nach „mit zweierlei Maß misst“, wie es etwa die österreichische Finanzministerin Maria Fekter im Kreise ihrer Ressortkollegen zum Ausdruck brachte, unter denen die Daumenschrauben gegen Ungarn höchst umstritten waren. Denn parallel zum an Ungarn statuierten Bestrafungsexempel wurde das gebeutelte Euroland Spanien „für begonnene Reformen“ belohnt, weshalb Madrid 2012 sogar mehr neue Schulden machen darf als ihm ursprünglich erlaubt gewesen sind. Und zur selben Zeit schüttete dieselbe EU abermals 140 Milliarden Euro ins bodenlos scheinende Fass Griechenland.
Dass sich die große Mehrheit der Magyaren auch aus anderen Gründen ungerecht behandelt fühlt, geht aus jüngsten Erhebungen des Instituts „Nézöpont“ hervor, wonach drei Viertel aller Befragten mit Aussagen Orbáns übereinstimmen, insbesondere mit jenen, wonach Ungarn „keine Kolonie“ sei und sich „Druck und Diktat von außen“ nicht beugen werde. Martin Schulz hatte sie schon vor seiner Wahl zum Parlamentspräsidenten mit seinem Verlangen aufgebracht, den ominösen Artikel 7 des EU-Vertrags anzuwenden, wonach ein Land mit Sanktionen bis zum Entzug des Stimmrechts in den EU-Gremien belegt werden kann, so es „gegen demokratische Grundsätze verstößt“. Wenn es darum geht, folgt auch bei anderen Kritikern Ungarns stets der Hinweis auf die Mediengesetzgebung, womit Orbán Presse, Rundfunk, Fernsehen und Internetmedien angeblich gängeln und unter seine Kontrolle bringen wolle. Im Lichte der Wirklichkeit sind derlei Behauptungen Unfug. Tatsächlich wurde eine höchst überfällige Regulierung der seit der Zeitenwende – auch durch tatkräftige Mithilfe ausländischer Konzerne – aus dem Ruder gelaufenen ungarischen Medienlandschaft nach westlichen Usancen vorgenommen. Im übrigen sind von der EU seinerzeit verlangte Korrekturen längst umgesetzt und Gesetzespassagen, die der ungarische Verfassungsgerichtshof für nichtig erklärt hatte, ersetzt worden.
Dennoch nennt etwa der luxemburgische Außenminister Asselborn Ungarn einen „Schandfleck“. Ähnlich andere Sozialdemokraten respektive Sozialisten, die Orbán der „Säuberungspolitik“ bezichtigen. Immer wieder bringen der Österreicher Hannes Swoboda, jetzt deren Fraktionschef im Europaparlament, und Ulrike Lunacek von den Austro-Grünen EU-Vertragsverletzungsverfahren und Stimmrechtsentzug ins Spiel. Unter Beifall des flämischen Liberalen Guy Verhofstadt, der, wie der deutsch-französische Grüne Daniel Cohn-Bendit Orbán „auf dem Weg (wähnt), ein europäischer Chávez zu werden, ein Nationalpopulist, der das Wesen und die Struktur der Demokratie nicht versteht“. Vergleiche mit der „gelenkten Demokratie“ Putins oder gar des Autokraten Lukaschenka in Minsk sind wohlfeil.
Ein Diktator ist Orbán beileibe nicht, sondern ein ungarischer Patriot. Doch mit Vaterlandsliebe eckt man an in der schönen neuen Welt. Schon als junger Mann hat er den Abzug der Sowjettruppen aus Ungarn und die Rehabilitation der Revolutionäre von 1956 verlangt. Die Magyaren sind ein freiheitsliebendes, geschichts- und nationalbewusstes Volk. Das haben sie nicht nur damals bewiesen. Deswegen schätzen sie es auch, wenn sich Orbán „Einmischung von außen“ verbittet. Sie haben nichts dagegen, dass in der Verfassungspräambel die „Heilige Krone“ als Wahrung der historischen Kontinuität der Nation verehrt und für deren Gedeih der „Segen Gottes“ erfleht wird. Letzteres gilt für religiös Indifferente und solche, die sich „freisinnig“ dünken, geradezu als provokative Regelverletzung. Dasselbe trifft auch auf das Bekenntnis zur einen Nation zu, im wohlverstandenen Sinne ihrer historisch, sprachlich und kulturellen Bande über die Grenzen des 1920 um zwei Drittel amputierten Territoriums Ungarns hinaus. Unmut erregt auch das Bekenntnis zur Familie, besonders deswegen, weil die neue Verfassung die Gleichstellung der Gemeinschaft aus Mann und Frau mit gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften ausschließt. Unübersehbar stört es die politisch korrekten Moral- und Tugendwächter, dass in Budapest eben eine nationalkonservative Regierung im Amt ist. Dass die Magyaren im Frühjahr 2010 Sozialisten und „Liberale“, die nach acht Jahren Regierungszeit ihren Nachfolgern ein herabgewirtschaftetes Land hinterließen, nicht einfach nur abwählten, sondern politisch marginalisierten und Orbán mit einer satten Zweidrittelmehrheit ausstatteten. Weshalb bei der Betrachtung des/der „unbotmäßigen Ungarn“ eine Parallelität zum Nachbarland Österreich auf der Hand liegt. Denn die ganze Szenerie erinnert an das – letztlich gescheiterte – Vorgehen gegen Wien anno 2000, wobei sich nicht wenige Politiker und Publizisten, die seinerzeit die „besonderen Maßnahmen“ („Sanktionen“) der damals 14 Regierungen gegen die 15. guthießen, heute dazu versteigen, die angeblich „von Orbán ausgehende Gefahr“ um „ein Vielfaches“ höher zu bewerten als das „Vergehen“ der „Schüssel-Haider-Koalition“.
Rhoenblicks Kommenta
Am 22.01.2012 übernahm ich einen Artikel aus der Rhein-Neckar-Zeitung in meinen Blog, verfasst von Sören Sgries. Ich titelte „Orbán – der Totengräber der Demokratie“. In meiner Beurteilung der Lage war ich voreilig. Artikel in der NZZ und der F.A.Z. lösten bei mir Überlegungen aus, ich sei dem von der europäischen Linken geblasenem Angriff gegen die konservative Regierung Ungarns, die eine linke, unfähige abgelöst hatte, aufgesessen.
Nun – besser es kommt die Einsicht, wenn auch verspätet als nie.
Der oben wiedergegebene F.A.Z.-Artikel öffnete mir vollends die Augen: Es ist die EU, die von den Linken, den Grünen und Mitläufern getriebene EU, die versucht, Ungarns frei gewähltes Regierung und damit das den Linken nicht genehme Parlament zu Fall zu bringen.
Diese EU-Machenschaften gegenüber Ungarn, hinter der die Linken stehen, seien für die Schweiz ein warnendes Beispiel. So würde die EU gegen die Schweiz agieren, wenn diese, der EU beigetreten, ihre Werte, ihre Ansichten, Einsichten und Überzeugungen beibehalten wollte.
Hüten wir uns vor den Linken, im eignen Land und in Europa. Sie sind die Totengräber einer echten Demokratie.